Zum Inhalt springen
Kompass

Was uns Immanuel Kant heute sagen kann:Auf Lösungssuche

Liegt Ihnen was schwer im Magen? Sorgen, die bedrücken, ein schwerer Gang zu einem klärenden Gespräch, Entscheidungen, die gefällt werden müssen, Existenzsorgen - oder ganz schlicht: Sie haben was Fettiges gegessen, z.B. Königsberger Klopse - die klingen, wie sie schmecken: nach schwerer Kost.

Die Königsberger Klopse waren Leibgericht Immanuel Kants – er war auf seine Art auch schwere Kost. Vor 300 Jahren in Königsberg geboren, heute weltbekannt als Philosoph mit ziemlich klugen Ideen und Erkenntnissen. Wie kein anderer verkörpert er das Zeitalter der Aufklärung. Seine Werke haben das Denken nachhaltig verändert. Bei aller Bewunderung sollte man, so die neuere Forschung, Kant aber nicht auf einen Sockel stellen. Warum: weil auch er nur ein Mensch ist mit Fehlern.  Auch von ihm sind rassistische, sexistische, judenfeindliche Äußerungen überliefert. Und dennoch: Menschenwürde, Rechtsstaat, freiheitliche Demokratie, der Wunsch nach Frieden - Keiner hat unsere moralischen Maßstäbe so geprägt wie Immanuel Kant.

Weil sich in diesem Jahr sein 300. Geburtstag jährt, haben viele kluge Köpfe sich zu Kant geäußert und dabei einige Kernideen herausgefiltert. Und die möchte ich Ihnen jetzt dalassen, denn ich bin davon überzeugt, dass die uns heute in unserer krisengeschüttelten Zeit ein bisschen Orientierung geben können:

„Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen“ – ist der Leitspruch der Aufklärung.

Heißt: nicht unkritisch Ansichten vermeintlicher Autoritäten einfach nur übernehmen, sondern: selber kritisch denken, Dinge überdenken, hinterfragen, sie von allen Seiten betrachten, abwägen - und dann auch entsprechend handeln. Also: Nicht nur denken und diskutieren, sondern auch tun. Und was nach Kant auf gar keinen Fall geht: Besserwisserei und Rechthaberei.
Kant würde fragen: Was soll ich tun? und nicht: Worüber kann ich klagen, und das womöglich auch noch anonym, versteckt in der breiten Masse - wie heutzutage gerne in vielen sozialen Medien praktiziert. Das geht gar nicht.

Freies Denken bedeutet, selbst Verantwortung zu übernehmen. Die kann man nicht abgeben an andere, auch nicht „an die da oben“.

Wenn wir also selber entscheiden, was wir tun – wonach richten wir uns dann? Gibt es dafür sowas wie einen Kompass?

Diese Frage beantwortet Kant mit dem sog. „kategorischen Imperativ“:

"Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne." – Man könnte auch einfacher sagen: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Oder, wie in der Bibel: „Wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihnen!“ (Lk 6,31) - Die Goldene Regel.

Und es gibt bei Kant noch einen weiteren Gedanken, wo wir Christen uns wiederfinden können:

Kant traute der menschlichen Vernunft viel zu. Für Kant ist der Mensch fähig, eine friedliche Gesellschaft aufzubauen, weil er davon überzeugt ist, dass jeder eigentlich von sich aus das Gute tut. Klappt aber nicht immer, das weiß auch Kant. Der Mensch unterlässt nicht nur das Gute, sondern tut auch Böses – gegen jede Vernunft. Daher stellt Kant recht unaufgeregt fest:

„Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.“

Aus krummem Holz – dieses Bild halte ich für eine gute Beschreibung für das, was wir Menschen sind. Wie oft erlebe ich, wie krumm und brüchig unser Leben, unsere Beziehungen zueinander sind. Hier kommt mir ein Satz vom Apostel Paulus in den Sinn: „Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich.“ (Röm 18,19).

Aber: nur nicht verzweifeln. Und nicht aufgeben, sondern weiter daran arbeiten.

Denn das große Ziel ist der Weltfrieden.

Darum müsste man – und nicht nur nach Kant - vielmehr mit Mut und Hoffnung auf die politischen und moralischen Ziele wie Demokratie und Rechtsstaat, Freiheit und Menschenwürde hinarbeiten.

Und das heute mehr denn je - angesichts vieler Krisen und Kriege, angesichts mitunter schlichter Parolen, die zu scheinbar einfachen Lösungen führen sollen. Für einfache Lösungen sind die Themen und vielen Probleme von heute aber viel zu komplex. Es erfordert vielmehr eine weltweite Zusammenarbeit. Jeder und jede ist aufgerufen mitzudenken und nach Lösungen zu suchen – und zu handeln. Auch im ganz normalen Alltag, z.B. mit ehrenamtlichem Engagement beim Schöffengericht, in der Jugendarbeit, in der Integrationsarbeit, um die verschiedenen kulturellen Hintergründe miteinander in Kontakt zu bringen…Und „Haltung zeigen“, wie bei den vielen Demonstrationen und Veranstaltungen gegen Diskriminierung und Rassismus und für die Menschenwürde in den vergangenen Wochen und Monaten.

Habe Mut!

 

Ihr Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran