In Ehren halten…
Wertvoll war sie dennoch - für Frau Klein: „Irgendwann stand ich vor dem Abitur --- eine entscheidende Situation…Abitur schaffen…studieren…selbstständig werden…an der eigenen Zukunft arbeiten… Mein Vater nahm diese Situation zum Anlass und drückte mir als „Geschenk“ eine kleine Patronenhülse in die Hand. Er sagte nicht viel… Nur: „Trage sie immer bei Dir…sie hat mir viel Glück gebracht in meinem Leben…mir in schwierigen Situationen während des Krieges und der Gefangenschaft geholfen…Halte sie in Ehren. Und behalte zu Holtum immer eine enge Beziehung!“ Das habe ich getan. …“
Vor diesem Hintergrund mehr als verständlich, warum Frau Klein diese Hülse immer bei sich getragen hat. Doch wer trägt wen? Könnte es auch wechselseitig sein? Frau Klein trägt die Hülse bei sich, und innerlich trägt die Hülse mit der Maria Frau Klein.
Mit der Hülse blieb auch die Verbindung zu ihrem Vater lebendig, und darin eingeschlossen auch seine Hoffnung, sein Glaube und die Verbundenheit zur schwarzen Madonna. Dieses kleine winzige Ding hat ihr über viele Jahre Kraft und Orientierung gegeben.
Auch ich habe ein paar Dinge - für andere ohne Bedeutung, aber für mich mit einer tieferen Bedeutung versehen und darum wertvoll und mir heilig. Sie erinnern mich an wichtige Phasen und besondere Momente in meinem Leben. Und wie ist es bei Ihnen? Haben Sie auch solche Kostbarkeiten, die bei Ihnen einen besonderen Platz haben und die für Sie ein bisschen wie heilig sind? Es müssen keine Gegenstände sein, auch eine Begegnung, ein Wort, eine Tat, eine Geste in bestimmten Lebenssituationen kann sehr, sehr wertvoll sein. Ich bin immer wieder erstaunt, wie unser Leben oftmals an Kleinigkeiten und beiläufigen Erlebnissen hängt, die aber eine große Kraft in sich tragen und unseren Blick verändern können. Eine Kerze z.B. kann die Dunkelheit vertreiben, ein Handschlag zur rechten Zeit kann Frieden schaffen, eine kurze Umarmung kann Geborgenheit schenken, ein gute gewählte Spruchkarte kann einen Menschen hoffen lassen, mit einer Situation klarzukommen: Die Situation bleibt, aber man kann seinen Blick darauf verändern und sich vielleicht neu ausrichten.
Gerade in diesem Monat, im November, mit der zunehmenden Dunkelheit, mit Nebel, Kälte und Unwirtlichkeit, wo man sich lieber zuhause einigelt und so auch empfänglicher ist für Schwermut, für Traurigkeit, für Schmerz um all das, was man verloren hat, wo man mit sich und dem Leben hadert, weil man all das Liebe und Schöne behalten wollte... Wo man das Gefühl hat, alles ist sinnlos….
Dann können Erinnerungen an schöne Momente, an all das, was man erlebt und geschafft hat, weiterhelfen. Als Christen können wir zudem in der Spur Jesu bleiben: nicht am Kreuz vorbei, sondern durch Kreuz und Tod zum Leben. Jeden Tag wieder neu. Manchmal feiern wir mitten am Tag, mitten im Wort, mitten im Streit, mitten im Tun ein Fest der Auferstehung.
Aus genau dem Glauben heraus kann man mit Menschen, die man verloren hat, in Verbindung bleiben – auf eine andere Art und Weise, und manchmal so auch eine ganz besondere Nähe spüren. Warum soll dieser Mensch weg sein aus meinem Leben? Nur weil ich ihn nicht sehe? Wir glauben daran, dass der Tod nicht das Ende ist und alles, was wir jemals aus Liebe getan haben, nicht verloren gehen kann. Es ist aber Arbeit, sich dessen bewusst zu werden und diese Verbindung zu allem, was wir jemals erlebt, gelebt und geliebt haben, auf neue Art lebendig zu halten. Und das trägt.
Ihr Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran