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Weihnachten

Weihnachten 2023:Was für eine Zeit... Krisen überall

Immer noch Krieg in der Ukraine, der schon fast nicht mehr im Blick ist. Und jetzt auch noch - seit dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel - Krieg im Heiligen Land. Mit Auswirkungen auf den Nahen Osten, dessen Ausmaße noch gar nicht absehbar sind. Und auch mit Auswirkungen auf uns.

Auf den Straßen vieler europäischer Städte sind Demonstranten unterwegs, bei denen es einem z.T. angst und bange werden kann. Unverhohlen werden antisemitische Parolen skandiert, so dass die jüdischen Mitbürger sich schon nicht mehr öffentlich als Juden erkennbar zeigen wollen oder können. „Nie wieder“, heißt es eigentlich bei uns. Und diesen unseren freiheitlich-demokratischen Staat mit seiner Grundordnung und seinen Grundrechten, die für alle gelten, gilt es unbedingt zu schützen vor Extremismus in jedweder Ausprägung. Und diese Aufgabe gilt ungeachtet ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts für alle, die in Deutschland leben, eben damit auch alle Menschen hier in diesem Land ungeachtet von Herkunft, Religion, Geschlecht in Frieden und Würde leben können. Wer in Zeiten wie diesen dafür eintritt, dem wird einiges abverlangt werden. Welchen Preis bin ich bereit dafür zu zahlen? All diese Krisen, all die Unruhen künden so etwas wie eine Zeitenwende an. Alles, was bisher in Zeiten von Frieden und Wohlstand so selbstverständlich war, scheint jetzt irgendwie verschwommen. Nichts ist mehr so klar. Wie geht das weiter? Wo führt das hin?

Weihnachten. Irgendwie auch verschwommen. Nach den letzten drei Jahren mit Corona, Ener-
giekrise und was sonst noch alles so war, haben, so nehme ich wahr, viele Sehnsucht nach Vertrautem, nach einem bisschen „heile Welt“. Dringend „mehr Lametta“ und „Driving home for Christmas“… Aber wir merken, es läuft nicht so rund, und in diesem Jahr werden wir auf dem ein oder anderen weihnachtlichen Markt z.B. auch auf einige „Weihnachtsgefühl-Lieder“ verzichten müssen, weil die Gema zuschlägt… Der Krisenmodus lässt uns nicht so ganz aus dem Griff. Aber: selbst in einem verschwommenen Weihnachten wie auf unserem Titelbild leuchtet doch etwas auf. Konturen nur, aber erkennbar. Erahnbar. Die Mutter mit dem Kind. Mit dem Jesuskind. Christ, der Retter ist da.

Vor lauter Lametta und Plätzchen und allen heimeligen Weihnachtsbräuchen blenden wir oft - auch wenn in jedem Krippenspiel thematisiert - aus, dass Jesus in keine heile Welt geboren wurde. Besatzung, Gewalt, Armut, Widerstandskämpfe, Unruhen, viel Elend. In diese Zeit hinein ist er geboren worden, in einem zugigen Verschlag, weil nirgendwo Platz war. Für eine Frau, die kurz vor der Entbindung steht, eine Zumutung, und auch gefährlich. Eine riskante Geburt. Auch im übertragenen Sinne – denn für den, der glaubt, ist Gott mit dieser Geburt ein großes Risiko eingegangen, wenn er im Jesuskind Mensch unter Menschen wird. Wird jemand da sein, der das Kind umsorgt? Der genug Liebe hat, damit das Jesuskind leben kann? Die Frage ist: warum riskiert Gott das?

Gott kommt als Kind zu Welt. Von dem Kind geht keine Gefahr aus. Eher setzt er sich der Gefahr der Ablehnung, des Unverständnisses, der Gleichgültigkeit, der Lieblosigkeit aus. Gott liebt die Menschen. Jeder der liebt, ist insofern machtlos, denn durch nichts kann ich einen anderen Menschen dazu zwingen, mir seine Liebe zu schenken oder meine Liebe zu erwidern. Aber ausgerechnet diesen Weg der Machtlosigkeit hat Gott gewählt, um uns zu begegnen und uns nahe zu sein.

Wenn die Menschen frei wählen sollen, ob sie diese Liebe erwidern, dann blieb ihm auch keine andere Wahl, als so zu
handeln. Die Liebe Gottes hört niemals auf, egal unter welchen Bedingungen. Gott liebt uns bedingungslos. Doch er sehnt sich nach unserer Antwort, unserer Resonanz.

Weihnachten. Christ, der Retter ist da. Jesus wird tatsächlich dann zum Retter, wenn man bereit ist, darüber zu staunen, was hier geschieht. Wenn man innerlich bereit ist, ein Geschenk anzunehmen, für das es so keine Gegengabe gibt. Außer eben der Bitte: Sei du mein Lebensretter. Oder, auf den Punkt gebracht: Liebe geht nur mit Erwiderung. Und das ist übrigens nicht nur für Jesus, den Retter, das schönste Weihnachtsgeschenk. Trotz und gerade in diesen Zeiten - von Herzen: Frohe Weihnachten!


Ihr Pfarrer
Franz Xaver Huu Duc Tran